Lupus-Glomerulonephritis

Nach der ISN/RPN-Klassifikation (früher WHO-Klassifikation) unterscheidet man die nicht-proliferativen Lupusnephritis-Formen (Typ I und II), die keiner immunsuppressiven Therapie bedürfen, von den proliferativen Verlaufsformen (Typ III und IV), auf welche sich die therapeutischen Bemühungen konzentrieren. Prognostisch entscheidend für das Nierenüberleben als auch das Patientenüberleben gilt hier eine Remissionsinduktion innerhalb der ersten 6 Monate, wie die Nachbeobachtungen aus dem Euro-Lupus Nephritis-Trial gezeigt haben [3]. Daneben gibt es als Sonderform den Typ V nach ISN/RPN (membranöse GN) mit subepithelialen Immunkomplexablagerungen, insofern steht hier ein nephrotisches Syndrom im Vordergrund und weniger der rasche Nierenfunktionsverlust. Typ VI ist das sklerosierte Endstadium. Die Lupusnephritistypen können sich im Krankheitsverlauf ändern, man spricht von einem "Switch".

Remissionsinduktion bei der proliferativen Lupusnephritis

Remissionsinduktion in den ersten 6 Monaten prognostisch entscheidend!
• Definition der renalen Remission nach dem Euro-Lupus Nephritis Trial [1]:
partielle Remission bei 50% Reduktion der Proteinurie, <= 25% Crea-Anstieg
komplette Remission bei Proteinurie <= 0,33 g/d, Kreatinin <= 1,4 mg/dl
Kein Stellenwert für eine Steroid-Monotherapie!
Dosis nach dem Euro-Lupus Nephritis-Trial ist der Standard-CYC Dosis nicht unterlegen!
• Alternative Induktion mit MMF mit individuell unterschiedlich gutem Ansprechen
Wechsel der Therapie (etwa von MMF auf CYC), wenn keine Remission erzielt wird!

Remission mit Standard-CYC

Zur Remissionsinduktion der proliferativen Lupusglomerulonephritis reicht eine alleinige Steroidtherapie nicht aus und sollte deshalb mit Cyclophosphamid (oder alternativ mit MMF, s.u.) kombiniert werden. Aufgrund prognostischer Aspekte sollte unbedingt eine Remission innerhalb von 6 Monaten erzielt werden. Eine Verzögerung des Therapiebeginns geht mit einem schlechteren Outcome einher und sollte vermieden werden. Als Alternativen zur Standard-Cyclophosphamidtherapie können zunächst die Dosierung nach dem Euro-Lupus Nephritis Trial oder eine Induktion mit MMF versucht werden, welche möglicherweise bei Subpopulationen wie Schwarzafrikanern effektiver ist (s.u.). Sollte sich hierdurch jedoch keine zeitnahe Remission erreichen lassen, ist ein Wechsel des Therapieschemas auf die Standard-Therapie indiziert.

Durchführung der Standard-Induktionstherapie:
• intravenöse Methylprednisolon-Stöße 500-1000 mg über 3 Tage, danach Prednisolon oral beginnend mit 0.5mg/kg KG pro Tag für 4 Wochen, dann Reduktion bis zu einer Erhaltungsdosis von 5-7,5mg/d
• intravenöse Cyclophosphamid-Stöße in einer Dosierung von 500-1000 mg/m² alle 4 Wochen über 6 Monate oder 6 Stöße à 500-750 mg/m² im Abstand von 3 Wochen

Remissionstherapie nach dem Euro-Lupus Nephritis-Trial

Die Dosis nach dem Euro-Lupus Nephritis-Trial mit 6 intravenösen Cyclophosphamid-Stößen (alle 2 Wochen) mit je 500 mg Absolutdosis (entsprechend einer Kumulativdosis von 3 g) ist der Standard-CYC Dosis nicht unterlegen (primärer Endpunkt war der "treatment failure", d.h. kein primäres Ansprechen innerhalb von 6 Monaten, sekundäre Endpunkte die renale Remission mit Rückgang der Erythrozyturie, 24h Proteinurie < 1 g, stabiles S-Kreatinin) [2]. Als Kritikpunkt kann angebracht werden, dass hier mit der Standardtherapie 500 mg/m² alle 4 Wo. verglichen wurde, oft wird jedoch die Standardtherapie mit 750 mg/m² alle 3 Wo. eingesetzt, die möglicherweise doch effektiver ist!

Durchführung der Induktion nach dem Euro-Lupus Nephritis Trial:
• Methyprednisolon 750 mg i.v. über 3 Tage, danach Prednisolon oral beginnend mit 0.5mg/kg KG pro Tag für 4 Wochen, dann langsame Reduktion bis zu einer Erhaltungsdosis von 5-7,5mg/d
• 6x Cyclophosphamid-Stöße à 500 mg absolut i.v. im Abstand von 2 Wochen

Begleittherapie zu Cyclophosphamid

• bei GFR<15 ml/min 12 Stunden nach intravenösem Cyclophosphamid-Stoß einmalig Hämodialyse über 4 Stunden mit high-flux Filter zur Elimination des Cyclophosphamids
• Cotrim forte® 3x/Wo. zur PJP-Prophylaxe oder Pentamidin-Inhalationen alle 4 Wochen
• Ampho-Moronal 4x2 Pip. zur Soor-Prophylaxe

GnRH-Analoga zur Amenorrhoe-Prophylaxe:
Als Nebenwirkung von Cyclophosphamid kann bei Frauen eine passagere Amenorrhoe oder eine prämature Ovarialinsuffizienz auftreten. Das Risiko steigt mit dem Alter der Patientinnen, 12% bei einem Alter<26J., rund 1 Drittel bei 26-30J. bis knapp 2 Dritteln bei einem Alter über 30 Jahren [5]. Eine monatliche Depot-Applikation von Decapeptyl® 3,75mg i.m. während der Cyclophosphamid-Behandlung kann wirksam vor einer prämaturen Ovarialinsuffizienz schützen [6]. Die PREGO-Studie will prospektiv zeigen, dass mittels einer monatlichen Depotspritze Zoladex® 3,6mg s.c. die Ovarialfunktion unter CYC-Therapie bewahrt werden kann [7]. Auch beim Mann ist eine Infertilität durch Azoospermie möglich und in unseren Beobachtungen auch schon bei relativ geringer Kumulativdosis von 3-4 g aufgetreten. Sicherlich liegt manchmal schon vorbestehend eine Oligospermie vor, welche vor Behandlungsbeginn dokumentiert werden sollte (andrologische Vorstellung vor CYC-Therapie, ggf. Kryokonservierung)!

Remissionsinduktion mit MMF

Die ASPREVA-Studie [4] fand keine signifikanten Unterschiede in der Gesamtpopulation, Asiaten und Kaukasiern, MMF war der CYC-Pulstherapie gleichwertig (der primäre Endpunkt, die Überlegenheit von MMF, wurde jedoch nicht erreicht). Unterschiede fanden sich in der Population "others" (vorallem Schwarze, Hispanics) - ein aggressiverer Verlauf und ein generell schlechteres Ansprechen auf die Therapie ist hier bekannt, möglicherweise besteht hier ein besseres Ansprechen auf MMF als auf Cyclophosphamid. Sozioökonomische Faktoren wie der Zugang zu früher Diagnostik, Therapie und Compliance in dieser Population wurden allerdings in der Studie nicht evaluiert. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass MMF bei schwerer Nierenerkrankung nicht evaluiert wurde, keiner der Patienten hatte eine schwere Nierenfunktionseinschränkung!

Durchführung der MMF-Induktion analog zur ASPREVA-Studie:
• MMF 2x500mg/d mit Steigerung auf 2x1000mg/d bis max. 3x1000mg/d nach 1 Woche
• in ASPREVA orale Steroidtherapie beginnend mit 60mg/d mit Reduktion um 10mg/d alle 2 Wochen bis zur einer Tagesdosis von 40mg/d, danach Reduktion in 5mg-Schritten bis zu einer Erhaltungsdosis von 5-10mg/d - außerhalb von ASPREVA sollte bei schwerer GN zur schnellen Remissionsinduktion mit intravenösen Methylprednisolon-Stößen analog zur Remissionstherapie nach dem Euro-Lupus Nephritis-Trial begonnen werden (s.o.)

Begleittherapie:
• Cotrim forte® 3x/Wo. zur PJP-Prophylaxe oder Pentamidin-Inhalationen alle 4 Wochen
• Ampho-Moronal 4x2 Pip.

Alternative Induktionstherapie

Eine alternative Induktion mit Rituximab als B-Zell Depletator bei einer primär B-Zell vermittelten Erkrankung ist vorstellbar und wurde in kleineren Studien evaluiert [10]. Einen Stellenwert hat Rituximab sicherlich bei fehlendem Ansprechen auf CYC oder MMF, um eine Induktion zu erzwingen. Langzeitdaten liegen nicht vor. Eine größere prospektive Betrachtung im Rahmen der EXPLORER-Studie erfasste keine Patienten mit schwerer Lupusnephritis [11], so dass hier keine Aussage gemacht werden kann. In der untersuchten Population von EXPLORER fand sich kein Benefit durch die zusätzliche Applikation von Rituximab; ein Kritikpunkt ist, dass die untersuchten Patienten sowieso schon steroidsensitiv waren.

Erhaltungstherapie

Wurde mit MMF induziert, kann dieses bei stabilem Verlauf nach 1 Jahr langsam reduziert werden - analog zu Contreras et al. [12] mit einer mittleren MMF-Dosis im ersten Jahr von 2x750 mg/d bis 2x1000 mg/d, im 2. Jahr von 2x500 mg/d bis 2x750 mg/d mit einer weiteren schrittweisen Reduktion im 3. Jahr bis 2x250 mg/d. Begleitend wird Prednisolon in einer individuellen Erhaltungsdosis von 5-10 mg/d gegeben. Nach Induktion mit CYC wird die Erhaltungstherapie 2-4 Wochen nach dem letzten CYC-Puls begonnen - die absolute Neutrophilenzahl sollte mindestens 1000/µl betragen - Klassischerweise Azathioprin beginnend mit 2 mg/kg KG/d (maximal 200 mg/d) oder alternativ MMF (beginnend z.B. mit 2x1000 mg/d) unter Kontrolle des Blutbildes. Prednisolon wird in Erhaltungsdosis fortgeführt. Die Erhaltungstherapie sollte über mindestens 2 Jahre gegeben werden, bei Contreras et al. wurde die Erhaltungstherapie über einen Zeitraum von 3 Jahren durchgeführt [12]. Meist profitieren die Patienten auch von einer längerfristigen niedrigen Steroiderhaltungsdosis.

Therapie der membranösen Lupusnephritis

Während die idiopathische membranöse GN zunächst 6 Monate supportiv behandelt wird, sollte bei der Lupus-Nephritis Typ 5 (ISN/RPN) aus prognostischen Gründen nicht zugewartet werden. Therapie mit Prednisolon 1 mg/kg KG/d für 4-6 Wochen, dann Tapering bis zu einer Erhaltungsdosis von 5-7,5 mg/d, zusätzlich MMF beginnend mit 2x1 g/d, alternativ CYC-Therapie unter Abwägung der Nebenwirkungen (s.o.)

Therapie der Lupusnephritis bei Kinderwunsch/ Schwangerschaft

Zwar ist Azathioprin einer Cyclophosphamid-Pulstherapie in der Remissionsinduktion unterlegen (Dutch Lupus Nephritis Study [8]), bei einer schwangeren Patientin bietet sich jedoch eine Induktions- und Erhaltungstherapie mit Azathioprin und Steroiden an. MMF ist kontraindiziert. Eine vorbestehende Therapie mit Hydroxychloroquin (Resochin®) sollte während der Schwangerschaft nicht abgesetzt werden, so schützt diese vor SLE-Aktivität und ist nicht mit fetaler Toxizität assoziiert [9]. Es muss auch darauf geachtet werden, dass eine im Rahmen der Supportivtherapie gegebene RAAS-Blockade im Falle einer Schwangerschaft umgesetzt werden muss.

Autor: Dr. Georg Georges, Tübingen